Kirche, Arbeitsrecht, AVR-Caritas, Eingruppierung, Stufenzuordnung, Zustimmung, MAV
Streitgegenständlich ist die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung / Stufenzuordnung einer Erzieherin in einer Kita nach Maßgabe der Anlage 33 AVR-Caritas. Im Rahmen einer Neueinstellung stimmte die MAV dem Zustimmungsantrag des Dienstgebers zur Einstellung zu, lehnte die geplante Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8a FG 1, Stufe 2 ab, weil die Mitarbeiterin über ausreichend Berufserfahrung von 10 Jahren verfüge und daher in Stufe 3 einzugruppieren sei. Diese Vorbeschäftigung verbrachte die Mitarbeiterin allerdings nicht in einer Kita, sondern als Erzieherin in einer Wohngruppe. Der Dienstgeber klagte daraufhin auf Zustimmungsersetzung und erhielt in erster Instanz Recht.
Andes beurteilt jetzt der KAGH den Sachverhalt und gibt der Revision der MAV statt, weil die Beklagte ihre Zustimmung zu Recht nach § 35 Absatz 2 Nr. 1 MAVO verweigert habe.
Die von der Beklagten reklamierte Stufe 3 setzte nach § 11 Absatz 2 Satz 3 eine „einschlägige Berufserfahrung“ von mindestens vier Jahren voraus. Dieser Rechtsbegriff bedarf der Auslegung.
Im Urteil vom 29.06.2022 (6 AZR 475/21) hat das BAG hierzu folgende Grundsätze formuliert:
„1. Das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung im Sinne von § 16 Absatz 2 Satz 2 TV-L setzt nicht kumulativ voraus, dass der Beschäftigte vor seiner erneuten Einstellung in derselben Entgeltgruppe eingruppiert war und wegen seiner Berufserfahrung keine Einarbeitungszeit benötigt. Für das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung ist vielmehr allein maßgeblich, ob die frühere Tätigkeit fachliche Anforderungen gestellt hat, welche den Entfall einer Einarbeitungszeit erwarten lassen. Das ist regelmäßig nicht nur dann der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird, sondern auch dann, wenn sie gleichartig war und zwischen früherer und nunmehriger Tätigkeit eine eingruppierungsrechtliche Gleichwertigkeit besteht. In beiden Konstellationen ist jedoch keine Identität der Eingruppierung erforderlich. (Rn. 18)
2. Entscheidend ist, dass der Beschäftigte unmittelbar nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann. Das Vorhandensein einschlägiger Berufserfahrung indiziert nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien bei typisierter Betrachtung, dass eine Einarbeitungszeit entfallen wird. Ob sich diese Erwartung tatsächlich erfüllt oder ob trotz der Berufserfahrung im Einzelfall tatsächlich eine (längere) Einarbeitung erforderlich ist, ist für die Stufenzuordnung ohne Belang. (Rn. 22)“
Einschlägige Berufserfahrung könne demnach auch dann erworben werden, wenn die frühere Tätigkeit gleichartig war und zwischen früherer und nunmehriger Tätigkeit eine eingruppierungsrechtliche Gleichwertigkeit besteht. Die betroffene Mitarbeiterin hatte ihre einschlägige Vorbeschäftigungszeit als staatlich anerkannte Erzieherin in sogenannten Clearing Wohngruppen erworben.
Die Mitarbeiterin habe nach dem KAGH damit als Erzieherin auch in der Vorbeschäftigung äußerst anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen gehabt, die qualitativ jedenfalls auch die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckten.
Hinweis Dr. Norbert Gescher: |
KAGH
Urteil vom 09.12.2022
Az: M 04/2022